| Allgäuer Sagen
 Sankt Georg 
                                  auf dem Auerberg
 1. An 
                                    der Nordgrenze des Gerichts Füßen 
                                    im schwäbischen Allgäu liegt der 
                                    Auerberg mit einem dem heiligen Georg geweihten, 
                                    von dem umwohnenden Volke häufig besuchten 
                                    Kirchlein, von dessen Erbauung sich im Munde 
                                    des Volkes eine Sage erhalten hat. In 
                                    grauer Vorzeit kam ein gewaltiger Rittersmann 
                                    in diese Gegend. Er saß milden Anblicks 
                                    auf einem blendend weißen Rosse, mit 
                                    Purpur angetan, einen silberstrahlenden Helm 
                                    auf dem Haupte. Man sah ihn niemals, nach 
                                    anderer Art, von wildem Trosse gefolgt, den 
                                    Edelhirsch und den Eber jagen; auch hörte 
                                    man nichts von Schmausen und Gelagen auf seinem 
                                    Schlosse. Nur mit den Drachen und grausen 
                                    Untieren, welche das Land bedrängten, 
                                    lag er in Fehde, und wo es eine Unschuld zu 
                                    retten oder zu schirmen gab, da war er männiglich 
                                    bereit. Es ward überhaupt nichts Edles 
                                    und Gutes getan, was er nicht aus allen Kräften 
                                    förderte. Damals gedachten die Bewohner 
                                    jener Gegend auf der Höhe des Auerberges 
                                    eine Kirche zu bauen. Sie 
                                    begannen das Werk; allein es ging wider Erwarten 
                                    langsam vonstatten, weil das Herbeischaffen 
                                    der Steine auf den Berg gar beschwerlich war. 
                                    Da flehten sie inbrünstig zu Gott um 
                                    Förderung und Segen ihres Beginnens, 
                                    und siehe da, von selbem Augenblicke an gedieh 
                                    der Bau auf wunderbare Weist. Denn Gott hatte 
                                    ihnen einen wackern Helfer geschickt; das 
                                    war kein anderer als jener treffliche Rittersmann, 
                                    welcher mit den Ungeheuern und Drachen Krieg 
                                    führte. Dieser arbeitete nachts, während 
                                    die Leute ruhten, an dem Bau der Kirche, schleppte 
                                    auf seinen gewaltigen Schultern Steine herbei 
                                    und fügte sie mit kunstreicher Hand aufeinander. 
                                    In wenigen Tagen stand die Kirche vollendet 
                                    da, also daß man ob des wunderbaren 
                                    Anblickes kaum seinen Augen trauen mochte. 
                                    Mit der Vollendung des Werkes war aber auch 
                                    der wackere Bauhelfer verschwunden, und nichts 
                                    als die Erinnerung ist dem Volke geblieben, 
                                    daß es der heilige Rittersmann Georg 
                                    gewesen, zu dessen Ehren die Kirche hernach 
                                    eingeweiht wurde. 2. Als 
                                    die Kirche auf dem Auerberge erbaut wurde, 
                                    machte man eine merkwürdige Wahrnehmung. 
                                    Während die Pferde, welche die Baumaterialien 
                                    hinaufzuziehen hatten, unten bei dem Berge 
                                    gewöhnlich stark ins Schwitzen kamen, 
                                    obgleich der Weg da noch wenig ansteigt, so 
                                    wurden sie beim obersten Bühel, wo doch 
                                    der Weg am steilsten ist, jedesmal wieder 
                                    trocken, als hätten sie hier gar keine 
                                    Anstrengung mehr. Das kam daher, daß 
                                    hier der hl. Georg seinen Schimmel jedesmal 
                                    vorgespannt hatte. 3. Für 
                                    die Kirche auf dem Auerberge war ursprünglich 
                                    ein tiefer gelegener Bauplatz bestimmt. Die 
                                    hier während des Tages aufgehäuften 
                                    Bausteine kamen aber über Nacht immer 
                                    auf den höchsten Gipfel des Berges, so 
                                    daß man dies als einen höheren 
                                    Wink betrachtete und den Kirchenbau dann hier 
                                    ausführte. 
                                     
                                      | Quelle: 
                                          www.sagen.at 
                                          Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers 
                                          "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter 
                                          des Allgäus"
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